Joseph-Maria-Lutz-Stipendiat 2016: Johann Reißer
Im Jahr 2016 setzte sich der 36-jährige promovierte Literaturwissenschaftler Johann Reißer als Lutz-Stipendiat durch. Er stammt aus Regensburg, lebt und arbeitet aber als freier Autor und Theatermacher in Berlin.
Johann Reißer studierte in Regensburg und Berlin und promovierte über deutsche Gegenwartslyrik. Seit 2004 veröffentlicht er Prosa, Lyrik, Essays und intermediale Arbeiten in deutsch- und englischsprachigen Literaturzeitschriften. 2009 gründete er gemeinsam mit Kamila Handzik die Theatergruppe „PlastikWorks“, die er seitdem leitet. Die Theatergruppe führt eigene Theaterstücke und Performances in verschiedenen Theaterhäusern und bei zahlreichen Theater -und Medienkunstfestivals auf.
2012 promovierte Reißer zudem über Archäologie und Sampling in der Lyrik von Rolf Dieter Brinkmann, Thomas Kling und Barbara Köhler am Graduiertenkolleg „Lebensformen und Lebenswissen“ in Frankfurt an der Oder und Potsdam. Neben weiteren Auszeichnungen war Reißer 2013 Stadtschreiber in seiner Heimatstadt Regensburg und 2014 in Rottweil. Ebenfalls 2014 erhielt er das Alfred-Döblin-Stipendium der Berliner Akademie der Künste mit Aufenthalt im Döblin-Haus Wewelsfleth.
Seine Beziehung zu Bayern war es, welche die Jury neben seinen schriftstellerisch herausragenden Textproben von seiner Eignung überzeugte: Reißer reichte drei Erzählungen ein, die lokale Eigenheiten und Eigenwilligkeiten seiner Heimat Ostbayern einfangen. Ebenfalls in diesem Kontext spielt sein entstehender Roman „Landmaschinenparadies“, der von eigenwilligen, skurrilen und unheimlichen Phänomen erzählt, die auftreten, wenn sich eine traditionell-bäuerlich geprägte Landschaft in eine reiche Industrieregion verwandelt. Dieses Thema war der Jury zufolge eine hervorragende Brücke zu Pfaffenhofen und der in der Ausschreibung festgesetzten Aufgabe, einen Text über das Zusammentreffen eines Dichters mit der Stadt zu verfassen – ganz im Sinne von Joseph Maria Lutz‘ „Zwischenfall“.
Der Lyriker und Theatermacher hat sich während seiner Zeit in Pfaffenhofen gut bekannt gemacht in und mit der Stadt, hat viele Spuren hinterlassen und die Pfaffenhofener an seinem Aufenthalt teilhaben lassen. Insgesamt las er während der drei Monate fünf Mal zu verschiedenen Gelegenheiten: Während der Langen Nacht der Kunst und Musik lud er beispielsweise im Garten des Flaschlturms zu einer multimedialen Lyrikperformance. Bei seiner Lesung im Juli am Schyren-Gymnasium diskutierten Schüler mit ihm über Lyrik. Besonders sehenswert war sicherlich seine satirische Performance „Ernstfall“ im Pfaffenhofener Bunker, die er mit dem Multimedia-Künstler Christoph Marko verwirklichte. Herausragend gestaltete sich auch seine Abschlusslesung mit einem außergewöhnlichen und sehr detailreichen Text, betitelt „Projekt P“ über Pfaffenhofen - seine Version des „Zwischenfalls“. Zuletzt stellte er in der Kreisbücherei vor einem sehr interessierten Publikum Auszüge seines Romans vor.
In der kurzen Zeit seines Aufenthalts (Mai bis Juli 2016) erwies sich Reißer als umtriebiger Organisator und leidenschaftlicher Schriftsteller und Leser, der immer wieder die Nähe des Pfaffenhofener Publikums suchte. Sein Weg führte ihn anschließend zum nächsten Stipendium, dem „Esslinger Bahnwärter Stipendium“ für Literatur.