Fundamentale Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Muslimen – aber viele Vorurteile
25. Juni 2024
"Fundamentale Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Muslimen" hieß das Thema eines hochinteressanten Vortrags, den Benjamin Idriz, weithin bekannter Imam aus Penzberg, am Freitagabend im katholischen Pfarrheim hielt. Der Internationale Kulturverein Pfaffenhofen (IKVP) hatte ihn im Rahmen seiner Interkulturellen und Interreligiösen Wochen 2024 eingeladen, und Idriz begrüßte die Besucher mit einem herzlichen „Grüß Gott und Salam aleikum“, dem arabischen Friedensgruß.
Der islamische Theologe stammt aus Skopje in Nordmazedonien und hat sich durch eine Reihe von Büchern sowie sein Engagement im interreligiösen Dialog einen Namen gemacht. Als Referent ist er sehr viel unterwegs, und Pfaffenhofen war ihm durch den „vorbildlichen Dialog und ein gutes Miteinander“ ein Begriff.
An die Anfänge des christlich-islamischen Dialogs in Pfaffenhofen (siehe weiter unten) erinnerte der Moderator des Abends, der frühere Pastoralreferent Sepp Steinbüchler. Vor 20 Jahren hatte Steinbüchler zusammen mit Ali Tekin, dem damaligen Vorsitzenden der türkisch-islamischen Ditib-Gemeinde, den AK christlich-islamischer Dialog gegründet. Dabei kam Ali Tekin eine Schlüsselrolle zu, denn er hatte erste Kontakte ins Rathaus und zur Stadtpfarrei geknüpft und zum ersten gemeinsamen Fastenbrechen eingeladen. Als symbolisches Zeichen der Anerkennung überreichte Steinbüchler ihm eine getöpferte Figurengruppe, die „Friedenstänzer“.
„Wir brauchen solche Begegnungen und solche Initiativen“, betonte Benjamin Idriz. Und „wir brauchen mehr Aufklärungsarbeit“, gerade weil der Islam oft im Zentrum negativer Schlagzeilen stehe. Dabei bedeute das Wort Muslim „friedliebender Mensch“, erklärte er, und der Koran motiviere die Menschen zu guten Taten, verbiete aber Aggression: „Friede ist heilig, Krieg ist abscheulich.“ Zwar gebe es Verse im Koran, die Gewalt und Krieg thematisieren – ebenso wie in der Bibel – doch müsse man dabei den geschichtlichen Hintergrund betrachten. Diese Texte seien in Kriegszeiten entstanden, erlaubten Gewalt aber nur zur Selbstverteidigung. So sei der Dschihad, der „Heilige Krieg“, in Wirklichkeit eine „vom Staat verordnete Selbstverteidigung mit ethischen Normen“.
Das arabische Wort Rahman, zu Deutsch Barmherzigkeit oder Nächstenliebe, komme im Koran 315mal vor, erläuterte Benjamin Idris, der selbst den Koran schon im Alter von elf Jahren auswendig kannte. Allah sei der barmherzige Gott, und religiöser Fanatismus oder Gewalt sei mit dem Islam grundsätzlich nicht zu vereinbaren.
Auch das Wort „Ungläubige“ wollte Idriz nicht so stehen lassen: Gemeint seien vielmehr „Andersgläubige“, wie es ja auch in einigen Koran-Übersetzungen heiße. Unterschiedliche Überzeugungen, ein anderes Gottesverständnis und verschiedene Traditionen und Riten müsse man respektieren. „Gott hat uns verschieden geschaffen“, und so dürfe Vielfalt kein Problem sein, weder bei der Religion noch bei der Hautfarbe, dem Geschlecht oder der Kultur. Vielmehr gelte es sich auszutauschen, miteinander zu kommunizieren und voneinander zu lernen.
„Unser Gott und euer Gott ist ein und derselbe – egal ob Jahwe, Gott oder Allah“, betonte Idriz. Das Grundprinzip der monotheistischen Lehre gelte für Muslime ebenso wie für Juden und Christen: „Wir sollen nichts anbeten außer Gott, und alle Menschen sind gleichgestellt.“ Diese göttliche Lehre dürfte kein Faktor von Spaltungen sein, betonte der islamische Theologe, zumal der Koran ein integratives Buch sei, das andere wertschätzt und einschließt: „Der Koran fordert dazu auf, an Moses und Jesus ebenso zu glauben wie an Mohammed.“ Im Unterschied zu den Christen betrachten die Muslime, ebenso wie die Juden, Jesus allerdings nicht als Gottes Sohn, sondern als Propheten des Friedens, der Gerechtigkeit und der Liebe.
Mehr soziale Gerechtigkeit, persönliche Freiheit und Bildungschancen für alle nannte Benjamin Idriz als ganz wichtige Ziele, ohne die es keinen Frieden in der Welt geben werde, betonte Benjamin Idriz. Neben diesen großen globalen Aufgaben gebe es aber auch für jede Religionsgemeinschaft und jeden Einzelnen genügend „Hausaufgaben“, um sich zu öffnen, Vorurteile abzubauen und mehr Verständnis für andere zu erreichen.
20 Jahre christlich-islamischer Dialog in Pfaffenhofen
Vor 20 Jahren begann der christlich-islamische Dialog in Pfaffenhofen. Erste Kontakte zur türkisch-islamischen Ditib-Gemeinde knüpfte im Frühjahr 2004 der damalige Patoralreferent der katholischen Stadtpfarrei, Sepp Steinbüchler. Die islamische Gemeinde war ebenfalls sehr interessiert an einem gegenseitigen Kennenlernen. Zusammen mit dem Ditib-Vorsitzenden Ali Tekin gründete Steinbüchler den Arbeitskreis christlich-islamischer Dialog, dem sich nach und nach immer mehr Vertreter der muslimischen sowie der katholischen und der evangelisch-lutherischen sowie später auch der freikirchlichen Gemeinde und der Neuapostolischen Kirche anschlossen.
Von Anfang an ging es dabei nicht um hochtrabende theologische Diskussionen, sondern darum, ins Gespräch zu kommen und vom Leben und Alltag der anderen zu hören. „Wir leben in einer Stadt, wissen aber sehr wenig voneinander“, betonte Ali Tekin damals und hob die Bedeutung des gegenseitigen Kennenlernens für ein verständnisvolles und friedliches Miteinander hervor.
Im selben Jahr legte die Ditib-Gemeinde den Grundstein für eine Tradition, die sie seitdem jedes Jahr aufrecht hält: Im muslimischen Fastenmonat Ramadan lud sie im Herbst 2004 zunächst Vertreter der Kirchengemeinden und kurz darauf auch den damaligen Bürgermeister Hans Prechter und Vertreter des Stadtrates zum gemeinsamen Fastenbrechen ein. Als „historischen Moment“ bezeichnete der damalige Stadtkaplan Michael Kretschmer dieses erste Zusammentreffen der christlichen und muslimischen Vertreter. Für ihn war der Beginn des Dialogs besonders wichtig, um Ängste und Vorurteile abzubauen. Hans Prechter zeigte sich von der Offenheit der türkischen Gastgeber sehr beeindruckt, und Stadtrat Reinhard Haiplik war erschüttert, wie klein und unwürdig der damalige Gebetsraum an der Kellerstraße war.
Sepp Steinbüchler versprach, sich für eine Fortsetzung des Dialogs und für die Anliegen der muslimischen Gemeinde einzusetzen. Mit der Gründung des AK christlich-islamischer Dialog, aus dem letztlich auch der Internationale Kulturverein und der Tisch der Religionen hervorgingen, setzte er dieses Versprechen in die Tat um. Nicht zuletzt ist auch der Bau der Moschee an der Hohenwarter Straße ein Vorzeigeprojekt der Stadt und ein sichtbares Zeichen für den beständigen Dialog und das freundschaftliche Verhältnis zur türkisch-islamischen Gemeinde.
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