"...wenn ich will, kann ich ganz schön alt aussehen."
20. Juni 2023
Zum dritten Mal veranstaltet die Stadt Pfaffenhofen die Paradiesspiele zu Ehren des in Pfaffenhofen geborenen Schriftstellers Joseph Maria Lutz. Titelgebendes Herzstück der Paradiesspiele ist das Theaterstück „Der Brandnerkaspar schaut ins Paradies“. Am 17. Juni feiert7 die Inszenierung von Falco Blome auf der Festspielbühne vor dem Haus der Begegnung Premiere. In weiteren acht Vorstellungen kommt ein Stück bayerischer Kulturgeschichte auf die Bühne.
Tickets gibt es noch auf okticket.de unter „Paradiesspiele“, in Pfaffenhofen im Kultur- und Tourismusbüro im Haus der Begegnung (Öffnungszeiten: Mo-Fr 13.30 - 17 Uhr) und im Intakt Musikinstitut, Raiffeisenstraße 33 in Pfaffenhofen sowie an der Abendkasse. Zudem sind Karten an allen gängigen Vorverkaufsstellen der Region erhältlich.
In den kommenden Wochen werden 10 Darstellerinnen und Darsteller vorgestellt.
Thomas Weber spielt den BrandnerkasparDas Gespräch führte Julia Burger, Mitarbeit Kultur und Veranstaltungen.
Stadt Pfaffenhofen: Sie sind in Pfaffenhofen an der Ilm inzwischen zum zweiten Mal zu Gast, zuletzt waren Sie an der Seite von Adelheid Bräu im Gastspiel des Altstadttheaters in „Holmes & Watson“ zu sehen. Wie gefällt es Ihnen bei uns?
Thomas Weber: Gut. Mir gefällt es gut hier. Ich kenne Pfaffenhofen noch aus meiner Zeit in Ingolstadt. Das ist 20 Jahre her, damals habe ich auch Adelheid Bräu kennengelernt, wir waren gleichzeitig am Stadttheater in Ingolstadt angestellt. Ich hoffe, wenn ich in den Endproben dann öfter hier sein werde, dass ich mich auch mal in der Stadt umschauen kann, ein paar Cafés ausprobieren, die Zeit genießen. Es gefällt mir gut und ich bin gespannt auf mehr.
Stadt Pfaffenhofen: Gemeinsam mit Adelheid Bräu sind Sie als Profis für den Brandnerkaspar engagiert, an der Seite einer Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern, die teilweise zum ersten Mal auf einer Bühne stehen. Worin liegt hier für Sie die Herausforderung?
Thomas Weber: Ich glaube die primäre Herausforderung liegt nicht im Format einer Bürgerbühne, das habe ich schon mehrmals gemacht und ich weiß, wie wunderbar das funktionieren kann. Die primäre Herausforderung für mich ist, dass ich gar nicht im Dialekt sozialisiert bin. Ich bin zwar in München geboren, ich bin dort aufgewachsen, ich bin dort auf die Schauspielschule gegangen, und dennoch erfordert im Dialekt zu sprechen von mir eine große Konzentration. Ich bin zu einer Zeit zur Schule gegangen, als es verpönt war Mundart zu sprechen. Und das ist so eine Sache, wo ich finde, das haben mir die Laien – und auch Adelheid – voraus. Bei ihnen ist ein klarer Dialekt vorhanden, die müssen sich an vielen Stellen auch überhaupt nicht konzentrieren – da das Stück ja auch in wirklich schönem Dialekt geschrieben ist – das macht es ihnen auch einfacher, authentisch auf der Bühne zu sein. Weil sie nicht über die Schwelle des Hochdeutschen gehen müssen.
Stadt Pfaffenhofen: Über das Stück von Joseph Maria Lutz hinaus gibt es auch noch andere Interpretationen der Geschichte des Branderkaspar. Die Stückfassung von Kurt Wilhelm ist die bekanntere, und dem jüngeren Publikum werden die beiden Kinofilme mit Michael Herbig ein Begriff sein. Was ist für Sie die Stärke im Text von Joseph Maria Lutz?
Thomas Weber: Ich bin sozialisiert mit der Fassung von Kurt Wilhelm, die lange Zeit am Residenztheater in München gespielt wurde. Das war meine erste Theatererfahrung im Abendspielplan, ich bin mit meinen Eltern ins Cuvilliéstheater gegangen und habe dort diese ganzen heiligen bayerischen Schauspieler gesehen.
An diesem Theaterabend wird die „Asamkirchisierung“ des bayrischen Himmels sehr stark ausgestellt. Das ist wunderbar anzusehen. Aber es ist auch eine unverschämte Lobhudelei auf Bayern und vor allem auf ein Bayern, das es vielleicht nie gegeben hat.
Und dagegen steht dieser Lutz, wo die Geschichte einen ganz anderen Schwerpunkt hat. Sie ist um einiges ernster, der Brandner hat ein richtiges Problem mit Obrigkeiten, die sind ja verantwortlich, dass seine beiden Söhne im Krieg gestorben sind. Das Stück ist entstanden in den 30er Jahren, also zwischen zwei Kriegen, und man merkt dem Stück an, dass es auch als Anti-Kriegs-Stück geschrieben wurde. Und hier entsteht eine ganz andere Motivation für den Brandner, warum er länger leben möchte. Bei der Wilhelm-Fassung habe ich ehrlicherweise nie richtig verstanden, warum er zehn Jahre mehr will. Ist es einfach nur, weil er halt ein knorriges bayrisches Urviech ist und seinen Willen durchsetzen will? Also aus klassischer männlicher Hybris? Das ist natürlich auch eine Deutung, aber bei Lutz, also dadurch, dass er seine Söhne und seine Frau quasi im selben Jahr verliert, lese ich aus diesem Wunsch, länger leben zu wollen, ein bisschen Trotz raus. Sein ganzes Leben lang war er obrigkeitshörig, was auch immer diese Obrigkeit ist, er hat seine Söhne für die Obrigkeit gegeben, anschließend ist seine Frau an einer Depression ob des Todes der Söhne gestorben. Und dass man sich dann irgendwann mal denkt, ok wo ist jetzt mein Preis? Ich musste jetzt soviel erdulden, was krieg‘ ich jetzt dafür?
Der Vorteil an dieser Lutz-Fassung ist für mich, dass die Motivation eine andere ist, ich verstehe diese Version besser. Natürlich ist bei Lutz auch Komödie drin, natürlich gibt es auch bei Lutz einen bayrischen Biedermeierhimmel. Aber was ich interessant finde, ist der Bogen von: ok, ich habe immer alles gemacht, was von mir verlangt worden ist, jetzt möchte ich was für mich haben, möchte nach meinen eigenen Regeln leben.
Stadt Pfaffenhofen: Diese Geschichte erzählt ja auch etwas über den freien Willen. Der Brandner begegnet dem Tod auf Augenhöhe, er stellt sich dem Boanlkramer entgegen und betrügt ihn. Können Sie sich mit dieser Figur identifizieren?
Thomas Weber: Ich kann mich damit identifizieren, aber ich finde. es ist auch so eine Strömung der Zeit, wir leben in einer wahnsinnig individualistischen Zeit. Und jeder versucht, für sich sein eigenes Eckchen zu finden; ob das dann mehr oder minder gut funktioniert, das gilt es herauszufinden. Aber einfach die Chance zu haben, es zu versuchen, das finde ich wichtig.
Stadt Pfaffenhofen: Sie sind ein bisschen jung, um einen 80-jährigen Mann zu spielen. Wie fühlt es sich an?
Thomas Weber: Wenn ich meinen Bart länger wachsen lasse, ist der komplett weiß. Ich will sagen, wenn ich will, kann ich ganz schön alt aussehen. Und ich könnte auch schon zwei erwachsene Söhne haben, das Thema dieses Mannes ist also nicht zwingend das Thema eines alten Mannes; dieses Schicksal kann man auch erleiden, wenn man jünger ist. Dazu kommt, ich kenne kaum Schauspieler, die diese Rolle angenommen haben, die schon über die 60 Jahre waren. Ich glaube, Fritz Straßner war am Schluss fast 75 Jahre alt, aber als er die Rolle übernommen hat war er Mitte 50.
Stadt Pfaffenhofen: In Gesprächen über das Stück stelle ich immer wieder schmunzelnd fest, dass viele Menschen diesem kitschigen bayrischen Himmel, von dem im Stück erzählt wird, sehr viel abgewinnen können. Wie geht es Ihnen da?
Thomas Weber: Das ist selbstverständlich ein sehr netter und tröstlicher Gedanke. Genau wie diese Asamkirchisierung des bayrischen Himmels ein total schöner und tröstlicher Gedanke ist. Man kommt da hoch, es gibt alles, was man kennt, man muss sich nicht umstellen, du bist kein Tourist, du bist da zu Hause. Das ist sehr tröstlich, ich glaube man kann dem schon eine ganze Menge abgewinnen. Ich verstehe, dass es tröstlich ist, aber ich sehe darin auch eine immerwährende ewige Beruhigung. Du musst nichts mehr tun, es ist eh angerichtet. Du kannst jetzt das Denken einstellen.
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